Brigitte Pamperl
Ausstellung
Kunstgespräch
Biografie
Text

zurück
Brigitte Pamperl
Spannungsfeld zwischen Natur und Eingriff in diese, verschiedene Sichtweisen
und Überschneidungen - Frage nach den Grenzen: wann beginnt Leben, wie wird
in den natürlichen Prozess eingegriffen? Grenzen geben ein Gefühl von Sicherheit, engen aber auch ein und behindern. Wie wird wahrgenommen, wo sind Brüche.
In meiner Arbeit ist Licht und Luft, Material und Symbol für Leben und Natur.
Mit den Füssen auf dem Boden den Blick nach oben gerichtet, finde ich Luftlinien
als Zeichenmaterial für meine grafischen Bildarbeiten. Linien, Kondensstreifen
von Flugzeugen in den Luftraum geschrieben, fixiere ich zweidimensional auf dem
Foto als alltägliche Gegebenheit. Diese Luftlinien weisen auf globale Vernetzung, Kommunikation, technische Machbarkeit und Fortschritt, sowie auf bewusstes
und unbewusstes Überschreiten von Grenzen in Bezug auf Eingriff in natürliche Ressourcen wie Luft und Atem als Leben bedingendes und erhaltendes Element. Auch ich greife ein, bearbeite die Bilder spielerisch, überlagere diese digital, verdichte, lösche, kontrastiere und verwische real erkennbare dahinter liegende Zusammenhänge. »Luft als Material« wird zu abstrakten, schwarz – weiß, Licht - Schatten Bildwelten, betitelt als Luftstriche – Linien – Streifen – Lufträumen,
werden sie so sichtbar – unsichtbar, veränderbar, permanent unbeständig,
wieder hinterfragt. Wenn unter Aufhebung der Grenzen zwischen Realität und Fiktion, die real umgebende Welt mit der eigenen Wahrnehmung als untrennbar verbunden erlebt und angenommen werden kann, entsteht einzigartig Neues, Ganzes. Aus diesem Wechselspiel von aussen - innen entstehen ebenso meine eigenen fragilen Bildwelten. Abstrakte Luftlinienzeichnungen, Geflechte unendlicher Luftlinien, sind Ausdruck meiner momentanen veränderbaren persönlichen
Seh – und Empfindungsweise. Diese fiktiven Bildräume laden kommunikativ zu unvoreingenommener individueller Wahrnehmung und Interpretation ein. Phantasie soll freigelegt werden um sich selbst zu spüren. Ebenso arbeite ich zu diesem Thema mit Codierungen. Codierungen, Ordnungssysteme, Regeln finden in allen Bereichen des täglichen Lebens Anwendung und bestimmen bewusst und auch unbemerkt das Leben. Im Wirtschaftsbereich, Handel, mittels Barcode, Leben und Lebendiges als Gegenpol, finde ich in der Darstellung der genetischen Codierung
in Autoradiogrammen von Sequenzgelen. In der optischen Darstellung besteht ähnlichkeit, ich vermische und überlagere Bar- und Gencodes sodass nicht mehr getrennt wahrgenommen werden kann. Diese Vermischungen finden im täglichen Leben statt, das Verschwimmen der Grenzen zwischen Bar- und Gencode bedeutet das Ineinanderübergehen von Ideellem und Materiellem, Wirtschaftsinteresse und Natur – oder Klartext, Fakten überlagert von bestechend schönen Bildern aus dem Mikrobereich des Labors. Ich vermische und überlagere die Codes optisch, fräse
in die Oberfläche von transparenten Acrylplatten, und zeige diese Verletzungen.
Die abgefrästen Stellen schwärze ich mit Graphit, stelle mehrere Platten hintereinander sodass sich die Codes überlagern, verdichten, verdunkeln
und Schatten werfen.
Mit Licht verbinde ich unterschiedliche Inhaltsebenen. Licht macht sichtbar und
hebt aus dem Dunkel hervor. In der Wahrnehmungssteigerung durch Helligkeit
sehe ich eine künstlerische Möglichkeit wach zu halten und bewusst zu machen. Licht ist körperlos und von immaterieller Erscheinung. Atem bedeutet Leben, er begleitet uns ein Leben lang, ist lebenserhaltende Energiequelle und beeinflusst
die Lebensqualität. Zu allen Zeiten und in allen Kulturen wurde Atem als wichtigste Lebensfunktion verstanden. Jeder Atemzug ist einzigartig wie die Person selbst.
Als Bindeglied zwischen Körper und Seele wurde er von den Griechen in umfassenden Sinn verstanden. Psyche für ursprünglich Atem, Atem-Hauch – von
ich atme und zur Umschreibung der ganzen Person verwendet. In der Auffassung von atmen und Atem als Zeichen für Belebtheit bedeutete Psyche zunächst Lebendigkeit und Lebenskraft, so dass sie auch als Lebensprinzip aufgefasst
und gleichbedeutend mit Leben verstanden werden konnte. Seelische Vorgänge, Gefühlsregungen und Blockaden werden in unserer Atmung gespiegelt. Der Atem nimmt eine besondere Stellung als bewusster und unbewusster Lebensvorgang
ein, im Unterschied zu Tieren denen dies nicht möglich ist.
Wenn wir ihm keine Beachtung schenken fließt der Atem von selber unbewusst dahin. Wir können den Atem lenken und bewusst kontrollieren. So kann man bewusst, schneller oder langsamer atmen, für einige Augenblicke den Atem anhalten, während wir uns einer anderen Tätigkeit zuwenden. Ein viel genanntes Ideal ist passiv und aktiv zugleich in gelassener Ruhe zu atmen, während wir doch wach und aufmerksam sind. In der Arbeit »ATEM« setze ich elektronisch geregelte Ventilatoren im Rhythmus menschlicher Atmung ein, ich schaffe »künstlich Leben«, Ich möchte Lebendiges über künstlich Geschaffenes fühlbar, bewusst machen. Ich enge »atmende« Luftpolster mit Acrylbändern (codiert – Atem) ein, die Luft presst gegen die Einschnürungen, der künstlich erzeugte Atem wird durch diese Einengungen stärker spürbar und mit Licht verstärkt sichtbar. Nur scheinbar lebendig, wird diese Atembewegung übertragen, man »fühlt mit«, ist aber distanziert. Die Atmung als Beginn und Ende von Leben. Ein weiterer Bedeutungszusammenhang besteht zwischen Atem und Wind und dem Atem
als Bindeglied zwischen Körper und Aussenraum. Im Lateinischen klingt in »anima« (Seele) und »spiramen« (Atmung), das Wort »anemos« (Wind) an. So ist der Wind der Atem des Universums und die uns umgebende Atmosphäre bestimmt täglich unsere psychische Befindlichkeit. So beginnt jeder Tag für mich nach dem Aufwachen mit einem ersten Blick aus dem Fenster auf den Himmel und die Tagesstimmung, welche ich täglich in einem Foto, als work in progress, festhalte.
Im natürlichen Rhythmus des Jahreszeitenlaufs ist die zyklische Zeit mit der Natur verbunden, im Gegensatz zum linearen Zeitbegriff der Industriegesellschaften.
Ein Leben lang beeinflussen die Lichtzeiten unbewusst, subjektiv all täglich die psychische Stimmung und subjektive Bewusstheit und Wahrnehmung.
Dieses Thema ist im sozial verbindenden »Reden über das Wetter«
manifestiert und steht gleichzeitig für Individualität und Intimität jedes Lebens.