H. Leinfellner / J. Pérez Gil
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Im Rückenmark der Erde
Zu den neuen Arbeiten von Henriette Leinfellner und Javier Perez Gil.
Beim Betrachten der Arbeiten von Henriette Leinfellner und Javier Pérez Gil erkennt man ein verbindendes Element: das Engagement mit der Sprache. Es handelt sich schlicht und einfach um das Streben des Künstlers nach einer ihm persönlichen Sprache, nach „Präsenz“. Als „Zuseher“ suchen wir in diesen Arbeiten nach der Idee, die uns weiterhelfen könnte jene „Präsenz“ zu interpretieren, jedoch stellen
wir fest, dass die Idee nicht mehr im Werk zu finden ist. Wir tragen die Idee in uns selbst. Wie ist das zu verstehen? Francis Bacon lehnte es ab, über Intelligenz in der Kunst zu sprechen und akzeptierte ausschließlich den Umstand, dass, wenn der Künstler „denkt“, dieser das nicht mit dem Gehirn tut, sondern mit seinem Zentralnervensystem, mit dem Rückenmark. Diese Arbeiten besitzen jene „Intelligenz“, jene Sensibilität, die es uns ermöglicht mit ihnen in einen Dialog
zu treten. Hierbei eröffnen sich vielfältige Assoziationen und Sinngehalte.

Eine 18 Bleistifte Armee:
Die Zeichnungen Henriette Leinfellners laden uns zu einer physischen Übung ein,
zu einer Entdeckungsreise, die uns abverlangt unterschiedlichste Perspektiven zu erproben: Sich zu entfernen, sich anzunähern und sich im Detail zu verlieren, um dann wiederum zur Gesamtheit zurückzukehren. In diesen Zeichnungen ist es die „Erde“, die sich uns zeigt, die Erde auf der wir uns bewegen und leben. Die Erde, der wir angehören. Aber um sich auf ihr zurechtzufinden, lädt uns die Künstlerin ein, uns auf jenen Spuren zu verlieren und jeglichen Versuch der rationellen Analyse aufzugeben. Die Zeichnungen scheinen Karten wiederzugeben, Territorien, Furchen und leer- stehende Grenzen. Die Spur des Bleistifts hinterlässt eine Wunde. Hier begegnet man der Schönheit in diesen Arbeiten. Das Signifikante befindet sich manchmal in einem kleinen Detail und die Leere eröffnet der Künstlerin Flächen
um die Gedanken in das Werk fließen zu lassen. Die Leere als Ausgangspunkt der Gedanken.

Die Anatomie und die Ziffer
In „Soma“, einem der grafischen Zyklen von Javier Pérez Gil, verbinden sich Organe, Gewebe, Fluidum und Knochen gemäß des Binärcodes. Unvermeidlich wiedergespiegelt durch diese Geschöpfe sehen wir uns selber als eine unendliche Null - Eins – Sequenz. Lebend, atmend, mutierend, befinden wir uns in einer Welt deren Gesetze sich auf die Alternanz zweier einander ausschließender Zustände beschränken. “Summa Anatómica” führt uns in ein protowissenschaftliches Zeitalter, in dem die Grenze zwischen Kunst und Wissen, Wissen und Hexerei schwer zu beleuchten war. Diese Grafiken sind wie Darsteller in einem „Theatrum Anatomicum“, in dem die „Summe“ die Differenz ausmacht. Der sezierte und untersuchte Leib - um dessen Eingeweide zu zeigen – ist auch der Corpus der Kunst selbst. (Marcelo Chaparro)