Barbara Höller
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Das Werk von Barbara Höller bewegt sich im Spannungsfeld der Malerei zwischen Objekthaftigkeit und Zweidimensionalität und der Fragestellung nach dem Materialcharakter der Farbe. Die Linie ist dabei Hauptakteur der Bildkonzeption- selbst dort, wo Barbara Höller die Farbe in den Raum entwickelt. Sie ermöglicht ihr, eine Struktur herzustellen - "die von den Linien selbst vorgegeben wird."
Die Linienstruktur der Bilder scheint auf den ersten Blick jedoch kaum frei erfunden, sondern einem genauen System zu folgen, und kalkuliert über die große Leinwand gezogen zu sein. Doch spielen der Zufall und das Eigenleben der Farbe eine zentrale Rolle. Trotz festgelegter Parameter ist das Ergebnis für die Künstlerin nicht bis ins Detail vorhersehbar. Struktur und Zufall - ein Oxymoron, oder eine Möglichkeit sich die materiellen Eigenschaften von Farbe und Material zunutze zu machen?
Der Aufbau von Barbara Höllers Bildern folgt einem Bemühen um Systematisierung durch das Festsetzen von Spielregeln vor dem Malprozess - verbunden mit einer umfassenden Recherche über Farbe und Material. Diese steht immer am Beginn einer neuen Werkserie. Höller experimentiert dabei solange, bis sie zu einer Lösung der Problemstellung kommt bzw. ihr das Material die Möglichkeit gibt, die Werkserie zu beginnen und die an sich und das Bild gestellte vorgegebene Konzeption systematisch und analytisch zu erarbeiten. Barbara Höller schafft sozusagen die Rahmenbedingungen, unter denen sich die Farbe in ihrem Verlauf entwickeln kann.
In den ausgestellten Arbeiten wurde anstelle der Leinwand ein Kunststoff aus der Textilindustrie verwendet, der bei Anoraks und Funktionsbekleidung zum Einsatz kommt. Er wird zum farbigen Bildgrund, auf dem die Linie sich entfaltet.
Der Bildrand wird in einem zuvor festgelegtem Abstand von circa fünf Zentimetern mit einem Punkt markiert. Einmal mehr wird ein Punkt zu Beginn einer Linie, die sich - geleitet durch das Gesetz der Schwerkraft - über das Bild zieht. Am Punkt setzt die Künstlerin die Farbspritze an und trägt die Farbe auf. Das heißt, die vermeintlich gerade - wie mit dem Lineal gezogene - Linie ist eigentlich ein freies Rinnen, ohne vorgegebene Bahn. Dass die Linie jedoch so gerade rinnt, nicht mäandert, ist ihrer Konsistenz geschuldet, die zuvor von der Künstlerin empirisch entwickelt wurde.
Und dennoch sind in dem Bild viele Zufälle verborgen. So trifft die Linie auf dem Bildträger auf bereits gezogene Strukturen und folgt für einige Zentimeter ihrem Verlauf, bis sie sich wieder ihren eigenen Weg bahnt. So erscheint der Ablauf bis ins Detail durchdacht und schließt dennoch das Unbekannte mit ein, "in dem Strukturen sich selbst generieren", so Barbara Höller. Denn nach Beginn des Kunstwerks hält sich die Künstlerin an die von ihr vorgegebenen Spielregeln, und so ist der Farbverlauf allein durch diese bestimmt und von ihr nicht mehr beeinflussbar. Der Formwillen/ Formwille des Künstlers/ der Künstlerin, sein/ ihr Duktus beziehungsweise sein/ ihr Eingreifen in den Schaffensprozess tritt hier klar hinter die Eigendynamik des Bildes. "Wenn man so will, sind Farbe und Gravitation meine Assistenten." Innerhalb der Werkgruppe dominiert zunächst ein dichtes Liniengewirr, das die Künstlerin in weiteren Verlauf reduziert, nur noch einige wenige Linien über den Bildträger zieht und damit einmal mehr die vielen Möglichkeiten, mittels einer Linie Raum zu generieren, anschaulich macht. So entsteht selbst mit wenigen Linien ein Raum auf der Leinwand, im Spiel zwischen leerer Fläche und Struktur. (S. Aigner)