Leo Zogmayer
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Leo Zogmayer
Am Ende des Tractatus logico-philosophicus von Ludwig Wittgenstein findet
sich der Satz: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“ Wittgenstein fordert damit die Philosophie selbst heraus: das, was Sprechen oder Denken ermöglicht, kann nicht deren Gegenstand sein. Leo Zogmayer greift
diesen Satz auf, zerlegt ihn und bringt die einzelnen Worte in einem seiner Textbilder in eine alphabetische Reihenfolge: „darüber kann man, man muss nicht, reden, schweigen wovon”. Eigene oder fremde Sätze zu zerlegen und Worte aus syntaktischen Verknüpfungen zu befreien, interessiert den Künstler.
Er dekonstruiert Sprache um herauszufinden, “was ein Wort kann”.
Die sprachliche Ordnung des jeweiligen Autors wird von der neuen, einer alphabetischen Sortierung überlagert. Dadurch verschiebt Zogmayer das Augenmerk vom Begriff zum Wort.

VORANNAHMEN
In seinem 2012 gehaltenen Vortrag ‚Schön kommt von Schauen’ sprach
Leo Zogmayer vom „baren Schauen“. Er räumte ein, dass es dieses „aus wissenschaftlicher Sicht gar nicht gibt, weil jede Weise des Sehens irgendwie gelernt wurde.“ Nichtsdestotrotz kann sich bares Schauen, im Sinne eines absichtslosen, unbefangenen, offenen, zwischen Aktivität und Passivität angesiedelten Schauens, durchaus ereignen. Doch Vorgewusstes, kulturelle Prägungen, Muster, Vorurteile und Selbstbeschränkungen schieben sich allzu schnell über bares Schauen, das im Unterschied zum „zweckmäßigen Schauen“ nicht in erster Linie „wissen“ will. Kunstwerke können für das Schauen und in
diesem Zusammenhang für Schönheit sensibilisieren, beziehungsweise Wahrnehmungskonventionen auf den Prüfstand stellen. In ihnen zeigt sich die Möglichkeit eines baren Schauens, das uns fragen lässt: was wäre, wenn wir
stets so schauen könnten? Die Welt zu sehen, wie sie ist, oder wie es in
Zogmayers Bild heißt: THE WORLD AS IT IS, mutet zutiefst utopisch an
und wird doch greifbar formuliert: im Sinne eines fortwährenden Bestrebens,
eine durch Begriffe geprägte Wahrnehmung zu überwinden und sich von
Vorurteilen, Mustern und Selbstbeschränkungen zu befreien.
Die Welt zu sehen, wie sie ist, treibt viele Künstler und Philosophen
seit Jahrzehnten an und um. Die Möglichkeit oder Unmöglichkeit dessen wird jedoch nicht nur in den Neurowissenschaften, der Psychologie und den Kulturwissenschaften, sondern auch in der Kunst selbst kontrovers diskutiert.

UNEINDEUTIG
Leo Zogmayer erzeugt in seinen Arbeiten gezielt Spreizungen in Bedeutungszuschreibungen – etwa durch Silbentrennung (FOR GET) – beziehungsweise inhärente Widersprüche – etwa durch ein Ineinanderschieben
von gegensätzlichen Begriffen (CHANGE / NO CHANGE). Dies lässt einen Raum entstehen, der sich der diskursiven Erfassung, besser: der begrifflichen Ein- oder Umfassung entzieht. Man könnte durchaus sagen, dass Zogmayer seine Skepsis
an der Versprachlichung von Kunst mit sprachlichen Mitteln austreibt.
Das mag auch seine Wertschätzung für Heidegger erklären, „Sprache mit Mitteln der Sprache zu entsperren“. Doch werden diese Spreizungen und Widersprüche nicht nur auf einer sprachlichen Ebene ausgetragen: Der Künstler setzt auch
Worte / Wortfolgen / Sätze und Material in ein spannungsvolles Verhältnis,
wie etwa beim voluminösen Aluminium-Zylinder, in den auf der einen Seite
„nichts ist sichtbar“ und auf der anderen „nichts ist unsichtbar“ eingraviert ist.
Die Titel seiner Ausstellungen werden ebenfalls gezielt genutzt, um Divergenzen zwischen Wort/Bild/Objekt zu erzeugen: So zeigte Zogmayer in der Ausstellung
‚Die Welt ist in Ordnung’ eine Folge von Bildobjekten, die Varianten von
Ordnungen vorführen. Titel von Ausstellungen tauchen darüberhinaus als Titel
von Werken und eigenen Texten auf – nicht zuletzt dadurch gelingt es dem
Künstler, auch hier eine eindeutige Zuordnung von Titel und Werk zu vermeiden
und verschiedene Arbeiten, Zeiten und Orte zueinander in Beziehung zu setzen.

IN-BEZIEHUNG-SETZEN
Die einzelnen Arbeiten von Leo Zogmayer haben eine ähnliche Funktion wie
Worte in einem Satz. Wenn er sich fragt: „Was kann ein Wort?“, so lässt sich dies durchaus übertragen auf: “Was kann ein Objekt/ein Bild?” Im Verband mit anderen Objekten, Bildern, Texten, Zeichnungen – mit ihrem Kontext – bewahren Objekte, Bilder und Worte ein Stück weit ihre Autonomie, und kommunizieren gleichzeitig miteinander beziehungsweise mit ihrem jeweiligen architektonischen und sozialen Umfeld. Formal streng und farblich reduziert, transparent – durchscheinend und durchlässig – binden sie so viel Aufmerksamkeit wie nötig, um als künstlerische Setzung wahrgenommen zu werden, gleichwohl so wenig wie notwendig, um die dadurch gewonnene Wachsamkeit auf das jeweilige Umfeld übertragen zu können. (Text: Barbara Steiner)